Im Jahr des Greifen

Ein Sturm kommt auf...

1806 BF: Bericht des Magisters Aran von Wilden an den Stadthalter Maron Habib von Fasar.

Folgende Informationen über das hochinteressante Buch kann ich euch bisher geben:

Das kürzlich im Nachlass eines Hügelzwergs in der Nähe von Winhall aufgefundene Buch trägt den vielsagenden Titel „Die Saga Aventuriens“. Es ist – sofern ich das im Moment beurteilen kann – eine detailierte chronologische Geschichtensammlung in 6 Kapiteln. Die Kapitel I bis IV konnte ich teilweise entschlüsseln. Kapitel V und VI konnten bisher nicht entschlüsselt werden. Besonders zu erwähnen ist wohl das Wesen des Buches. Es scheint von außen wie ein normales, in Leder gebundenes Buch, doch tatsächlich wirkt hier, mir nicht bekannte, Magie. Diese macht es mir schwierig, die Schrift zu entschlüsseln. Außerdem scheint das Buch einen eigenen Charakter zu haben, ist möglicherweise beseelt, denn es schließt sich manchmal von allein, blättert die Seiten weg, wenn ich gerade Passagen übertragen will, oder verhöhnt mich mit plötzlich erscheinenden belanglosen und verwirrenden Randnotizen. Man soll ein Buch wohl wirklich nicht nach seinem Einband beurteilen…

Aus Kapitel I, der Chronik der Helden. Ein Abschnitt mit dem Titel „Im Jahr des Greifen, der Sturm“.

„[…] Es muss wohl im Peraine des Jahres 1010 nach dem Falle Bosparans gewesen sein, als ich, wie abgemacht, Besuch bekam von meinen Freunden Magnus und Kubax, die direkt aus Punin angereist waren. Alljährlich versuchten wir so ein Treffen abzuhalten, auch wenn dies jüngst immer schwieriger wurde. Aber ich schweife ab.

Meine Freunde waren, sehr zum Leidwesen von Kubax, dem die Kälte wohl sehr zusetzte, durch die kalte Jahreszeit bis zu mir nach Lowangen gereist. Sie warteten bei meines verstorbenen Meisters Turm auf mich, als ich gerade von einem Ausritt zurückkam. Nach reichlich Begrüßung begingen wir den Abend bei Speis und Trank am Kaminfeuer. Wir redeten über die alten Zeiten und ich berichtete von meiner unlängst beendeten Reise durch das Orkland. […]

Tags darauf besuchte uns ein Bote des Kronkommisars aus Wehrheim. Dieser berichtete uns, dass meine Anwesenheit wohl erbeten sei in Greifenfurt bei Marschall Rastan von Eslamsgrund. […] Wir haben dem Boten, der scheinbar der Sohn des Kronkommisars war, meine Antwort und machten uns sogleich auf nach Lowangen, um uns zu rüsten und die Reise nach Greifenfurt anzutreten. Natürlich war mein treuer Gefährte Trion, der Blaufalke bei mir.[…] Meine Freunde begleiteten mich. Das geschah in einer Zeit, als Freunde noch zusammen durchs Feuer gingen – so es denn sein musste. Und zwar ohne, dass jemand fragen musste. […]

Vor den Toren von Greifenfurt bot sich uns ein wahrlich seltenes Bild. Hunderte von Zelten waren errichtet, Soldaten exerzierten. Die Thuranische Legion hatte ihr Lager gemacht. Zuallererst wollte man uns nicht hinein lassen, doch der Brief des Kronkommisars sollte sich hier als recht nützlich erweisen. Wir wurden geleitet bis zum Marschall, der uns in Empfang nahm. Nach einer kurzen Erklärung der politischen Lage bat man uns Platz zu nehmen. [Die nächsten 10 Seiten sind größtenteils unleserlich, handeln wohl aber vom Konflikt zwischen Thorwal und Nostria und der Operation „Rübenernte“ …]

Ich wurde, so fuhr der Marschall fort, nicht gerufen um an der geplanten Operation teilzunehmen, sondern aus einem gänzlich anderen Grund. Die Sache sei nämlich die, erläuterte der Marschall, dass es einen Nebenschauplatz zu erkunden galt. Im Norden seien vermehrt Orks gesichtet worden. Man wolle eine Spezialeinheit mit dem Namen „Greifenklaue“ zusammenstellen, die sich den Vorkommnissen in den Blutzinnen annehmen und diesen auf den Grund gehen soll. Man sei auf mich zurückgekommen, da ich im Allgemeinen als Kenner der Orks und deren Kultur gelte. Ich willigte ein, aber nur unter der Bedingung, dass sowohl Magnus als auch mein hügelzwergischer Freund Kubax mitkämen. Beide sagten ihre Teilnahme zu. In drei Tagen sollte es losgehen. Bis dahin würden wir unsere Begleiter ausgewählt und uns ausgerüstet haben. Man wies uns ein Zelt und erklärte uns den Ablauf der nächsten Tage, nun da wir bei der Armee waren. […]

Als erster Anwärter auf einen Posten in der Spezialeinheit Greifenklaue erschien noch am ersten Abend ein gewisser Lodrik Sturmfels, seines Zeichens ein ehemaliger Doppelsöldner, der sich wohl seit einigen Wochen in der Armee verdingte. Mein guter Freund Magnus prüfte ihn auf Herz und Nieren und Herr Sturmfels schaffte es, ihn zu überzeugen. Ich befand ihn zwar für zu jung, aber da die Zeit drängte, und ansonsten nichts gegen ihn sprach, nahmen wir ihn auf.

Die zweite Anwärterin auf einen Posten war eine Schwertgesellin mit dem Namen Leonia Larissa von Falkenhag Burkherdall [Hier ist auch ein anderer Name möglich. Das Buch ärgerte mich an dieser Stelle ganz besonders stark mit irreführenden Querverweisen und drei möglichen Übersetzungen]. Magnus prüfte auch sie, und auch sie wurde aufgenommen. Noch am selben Tag rüsteten wir uns aus. [Hier besteht das Buch, wie sich anhand der erscheinenden Randnotizen ausmachen lässt, darauf, dass der Hügelzwerg einen Trinkschlauch voller Bratensoße bei sich führte. Ich habe mich dazu entschieden, diesen Passus in der endgültigen Entschlüsselung wegzulassen. Am Ende treibt das Buch einen Spaß mit mir…] Am frühen nächsten Morgen reisten wir nach Norden.Über den Saljethweg bis nach Yrramis brauchten wir fast 14 Tage und Nächte. Wir passierten dabei die Portenstationen ohne Vorkommnisse. Wir reisten weiter bis nach Lowangen […] und von dort aus nach Westen in Richtung Arsingen.

[…] ein paar Stunden vor Arsingen jedoch sahen wir eine Rauchsäule aus eben der Richtung in der Arsingen liegt. Im selben Augenblick kam uns ein ganzer Zug von Flüchtlingen entgegen, die uns Dinge zuriefen wie „Mit Bannern“, „Wie in der Armee“, „Richtige Soldaten“. Unsere Einheit trennte sich hier. Ich gab all mein Gepäck an meine Gefährten und ritt schnell wie der Wind zurück nach Lowangen um sie zu warnen. Magnus blieb mit Kubax und Lodrik bei den Flüchtlingen, um sie ebenfalls nach Lowangen zu eskortieren. […] In Lowangen angekommen setzte ich den Magistrat in Kenntnis, der sofort alles Nötige veranlasste. Er kannte mich und meinen Leumund von früheren Ereignissen und stelle meine Aussagen daher nicht in Frage. Als nächstes suchte ich Meister Elcarna von Hohenstein in der Halle der Verwandlungen auf. Ich setzte ihn ebenfalls ins Bild und bat um Rat und Tat bei der Versorgung der Flüchtlinge. Er sagte mir alle Hilfe zu. […]

Schließlich kamen Magnus, Kubax, Lodrik, Leonia und die Flüchtlinge an. Wir versorgten sie nach Kräften. In der Stadt wurden in der Zwischenzeit alle Maßnahmen getroffen, um sich gegen die Orks zur Wehr zu setzen. Lowangen stellte ein Heer von fast 950 Mann auf, die meisten waren allerdings keine Soldaten.  Einige kehrten gar extra aus dem Ruhestand zurück… Viele Bürger verließen die Stadt und es kam, wie immer in so einer Situation, zu Hamsterkäufen. Statt Panik brach eine bedrückende Ruhe aus. So als erwarte man den Hammerschlag aus dem Nichts. Wir reisten nach 2 Tagen mit dem Heer von Lowangen nach Buchenbach. Dort erwarteten wir den Feind. Und der Feind sollte kommen.

[Die nun folgenden Passagen sind unvollständig und wirr, denn wieder machte es das Buch mir nicht einfach: Von Schmerzensschreien bis zu Blut, das urplötzlich aus dem Buch sprudelte und ebenso schnell wieder verschwand, sah ich mich beim Entschlüsseln allerlei Merkwürdigkeiten ausgesetzt…]

[…] So stand ich mit Magnus, Leonia und Lodrik in einer Reihe. Mein treues Schwert Êona Iama Shaê war in meiner Hand. Kubax war mit gespannter Armbrust hinter uns. Plötzlich wankte ein Mann aus dem Unterholz. Seine Schädeldecke war zu sehen. Offenbar hatten die Orks ihn skalpiert. […] Fiel einer nach dem anderen unter meiner Klinge. […] Magnus wich für einen Moment zurück, ging dann aber wieder in Angriffshaltung gegen den Oger. Kubax blieb, wie ihm geheißen, ruhig liegen. […] führte Magnus einen Schlag gegen den Wanst des Ungeheuers […] doch Leonia wurde unter seinem Leib begraben und konnte nur mit Mühen wieder befreit werden. […]

Durch die Verstärkung vom Svelltufer, und sicherlich durch den Moralverlust durch den Tod ihres Anführers durch Magnus […] hatten wir die Orks fürste Erste zurückgeschlagen. Doch die Verluste waren hoch. Geweihte und Magier versorgten die Verletzten, während sich die Einheit Greifenklaue wieder sammelte. Ich versorgte Magnus Wunden. Dann zogen wir uns in die Stadt zurück.

[…] Auf dem höchsten Turm der Festung ließ ich Trion fliegen. Die Zeit war nun gekommen, Brücken zur Vergangenheit abzubrechen. Ich blickte in Richtung der Salamandersteine... […]

In den nächsten Tagen wurde in der Stadt gesammelt und eingeteilt, was noch da war. Am 24. Rahja flüchteten die Lowanger Abteilungen vor der Stadt in die Stadt hinein. Ein Heer von mehr als 10.000 Orks war vor die Stadt getreten und führte Angriff um Angriff. […] Nun war fast ein Monat vergangen und die Stadt war immer noch belagert. Weder vom Reich, noch von sonstwo anders war Hilfe oder Entsatz gekommen… Ja, wir wussten nicht einmal, ob der Bote der Stadt Lowangen bis ins Reich durchgedrungen war. […]

[…] erreichte uns ein Bote des Meisters Elcarna von Hohenstein. Dieser übergab uns einen Brief, in dem der Meister berichtete, dass es einen geheimen Fluchttunnel unter der Stadt gibt, den wir nutzen können. Er nannte uns noch den Ort, an dem wir uns einfinden sollten. […] Und wir taten, wie uns geheißen.

Wir fanden uns in den Hallen der Grauen Stäbe ein und verließen die Stadt durch den Fluchttunnel. [An dieser Stelle fing das Buch an, ein heiteres Lied zu pfeifen…] Draußen machten wir einen kleinen Umweg über meines verstorbenen Meisters Turm, der zwar von den Orks aufgebrochen, aber wohl für Tabu erklärt wurde. Dort verbrachten wir eine Nacht. Am nächsten Morgen brachen wir auf in Richtung Süden mit Ziel Greifenfurt und Wehrheim. Das Reich musste gewarnt werden. […]

Am Weg lagen die Trümmer von mehreren Wagen und die Leichen von mindestens 16 Menschen, darunter auch Kinder. In Magnus Augen veränderte sich in diesem Moment etwas. Das freundliche Blitzen war gewichen. Seine Augen wirkten nun kalt und hart. Wir verbrannten die Leichen.

[…] denn gegen diese Orks hätten wir nicht bestehen können. So überzeugte ich Magnus, die Flucht über das Wasser anzutreten. Wir banden uns mit meinem Seil an dem Baumstamm fest, als wir schon die Hunde der Orks hörten. Im Wasser trieben wir bis nach Yrramis. Dort entstiegen wir dem Fluss. Auch von Yrramis war nicht viel übrig. Die Orks waren schon hier gewesen. Aufgespießte Köpfe begrüßten uns in den Trümmern des Handelspostens. Wir brachen so schnell wie möglich nach Süden auf, zurück über den Saljethweg. […]

Auf der ersten Anhöhe machten wir Rast. Ich führte eine hitzige Diskussion mit Magnus über Recht und Unrecht im Krieg, Leben und Tod. Eine Diskussion, die unsere Freundschaft in ihren Grundfesten erschüttern sollte… [hier begann das Buch zu weinen und laut zu schluchzen.] […] An der Feste Greifenstein, die ebenfalls von Orks überrannt wurde, zauberte ich uns eine Wand aus Nebel, damit wir unbemerkt an den Wachen vorbei kommen könnten. […] Die ersten Portenstationen waren verlassen. […] Als wir das erste Mal wieder über die uns so vertrauten Gefilde südlich des Finsterkamms blicken konnte, waren wir sogleich umzingelt von Soldaten. Diese bellten uns die Frage entgegen: „Loyalisten oder Answinisten?“, auf die wir nichts erwidern konnten. […] So brachte man uns schließlich nach Greifenberg  zum Baron, dem „alten Greifenberger“. Dort angekommen erstatteten wir Bericht über unsere Erlebnisse. Bestürzt hörte der Baron uns zu und versprach, sogleich Boten nach Wehrheim zu schicken. Danach setzte er uns in Kenntnis über das Verschwinden des Kaisers, den Thronraub und die politische Lage im Mittelreich. Ebenso fragte man uns, ob wir uns der Thuranischen Legion anschließen wollten. Magnus sagte sofort zu, ebenso wie der Rest der Einheit. Und Magnus wünschte auch meine Anwesenheit. Ich kam dem gerne nach. Denn ich sah das Gute in meinem Freund. Auch wenn er es vielleicht nicht mehr sah… […]

 

Bis hier geht meine aktuelle Entschlüsselung. So gehabt Euch wohl, Stadthalter. Ich werde mich mit weiteren Texten bei Euch melden!

In Treue,

Magister Aran von Wilden