Die Saga Aventuriens - Kapitel VIII

Die Prophezeiungen

Der Öffner der Tore

10. Rahja 1015 nach Bosparans Fall

Gestern kehrten meine Begleiter und ich aus der roten Sichel zurück. Ich war am Boden zerstört, als ich meinen Ehemann und Freund Lorion Nebelsucher in dem Gebirge zurücklassen musste. Er war gestorben. Zerfallen zu Staub, welcher in alle Himmelrichtungen geweht worden war… Mein Glück war, dass ich ihn kurz vor seinem Dahinscheiden noch sehen und mit ihm sprechen konnte. Er war also nicht alleine als er starb. Wir, seine Familie, waren bei ihm. Ich wusste nicht so recht, was meine Zukunft ohne Lorion noch bereithalten würde und ob ich seinen Verlust jemals verkraften konnte…

In Travingen empfing uns eine trockene und staubige Luft. Der rote Staub, welcher vor einigen Tagen kam, lag noch immer auf den Häusern, den Straßen, Wiesen und Feldern. Ich hatte den Eindruck, dass in den vergangenen Tagen keine Mühen unternommen wurden das Dorf zu reinigen oder Felder neu zu bestellen. Wir, Terion, Rodrik, Felian und ich beschlossen, dass wir uns noch am selben Tag beratschlagen wollten, wie wir der Gemeinschaft helfen konnten, alles neu zu organisieren. Da Mutter Herdgard leider noch immer schwer gezeichnet und nicht ansprechbar war, lag es an uns – der Zusammenkunft – für diese schwere Zeit die Führung des Dorfes, was über die Jahre unser geliebtes Zuhause geworden war, zu übernehmen. Wir konnten zu dem Zeitpunkt nicht mal im Ansatz erahnen, welch schwere und nervenaufreibende Zeit auf uns zukam.

Und so besprachen wir uns noch am selben Tag, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Wir teilten die Aufgaben, die nun zu erledigen waren auf. Die Prioritäten lagen auf der Säuberung des Dorfes, der Rettung der Ernte und der Fertigstellung des neuen Lagerhauses.

Da Felian Leuegrimm unserem kleinen Treffen nicht beiwohnte, wollte Rodrik ihn über unsere Ideen und Gedanken informieren. Irmgard Schwarzenklamm, welche ebenfalls in der Schmiede arbeitete, erklärte Rodrik, dass Felian kurz nach unserer Ankunft gestern, zu seiner Familie aufgebrochen sei. Allem Anschein nach muss das eine regelrechte Notlage gewesen sein. Er schien so sehr in Eile, dass er keinem uns davon etwas sagte. Nun mussten wir zu dritt der Lage Herr werden.

Rodrik suchte anschließend Algrid Festumer, die hiesige Tischlerin auf, um sich mit ihr besprechen und weitere Informationen zu bekommen. Algrid erklärte, dass Mutter Herdgard bisher alle Geschäfte des Dorfes überwachte und kontrollierte. Sie vergab die Gemeinschaftsaufträge an die hiesigen Bauern und Handwerker. Ich suchte in der Zeit nach Unterlagen über eben diese Geschäfte. Leider gab es keinerlei Aufzeichnungen. Somit mussten wir selbst solche Listen erstellen und verwalten.

Lorion war der Heiler des Dorfes. Da er nun nicht mehr da war, übernahm ich seine Aufgaben. Ich räumte das kleine Häuschen auf, reinigte alles von dem roten Staub und kontrollierte die Vorräte. Leider war vieles verdorben und nicht mehr zu gebrauchen. Ich musste also eine Möglichkeit finden, diese Vorräte wieder aufzufüllen. Leider gestaltete sich das sehr schwer, da durch den Staub ebenfalls Heilpflanzen, die in den Wäldern und im Umland wuchsen, tot waren. Der Staub zog sich bis in die Pflanzen hinein. Ich konnte nicht mehr machen, als das zu nutzen was vorhanden war.

Terion machte sich auf den Weg, um den Bewohnern unseres Dorfes mitzuteilen, dass wir am Abend vor dem Traviatempel eine Versammlung einberiefen um die Situation zu besprechen und Pläne vorzustellen, damit wir für den Winter gerüstet waren. Außerdem sprach er mit einigen Bauern, die sich darüber beklagten, dass die Ernte durch den roten Staub zerstört worden war. Hesindiane Eisenkober erzählte ihm, dass die Bauern hier nur auf die Obrigkeit hören würden. Da Mutter Herdgard aber noch schwer verletzt war, mussten wir also Überzeugungsarbeit leisten, was sich, wie sich herausstellte, äußerst schwierig gestalten sollte. Hesindiane erklärte ihm, dass alles was wir erwirtschafteten zum großen Lager gebracht und jeder Überschuss dann in das umliegende Land oder an Händler verkauft wurde. Jeder leistete nach der Gründung des Dorfes seinen Beitrag.
Mit Hesindiane zusammen erstellte Terion eine Liste darüber, wann welches Nahrungsmittel angebaut und geerntet wurde. Diese sollte uns helfen einen besseren Überblick zu bekommen und eine gute Ernte einzufahren.

Auf dem Rückweg zum Tempel wurde Terion von Irmgard Schwarzenklamm aus der Schmiede aufgehalten. Diese zeigte ihm einen Holzscheit, der ebenfalls mit dem roten Staub bedeckt war. Der Staub war wie ein Pilz in den Scheit gedrungen. Alle Scheite waren betroffen. Sie konnte die Schmiede damit nicht mehr betreiben und musste die Esse löschen. Das machte mir persönlich viele Gedanken. Ohne die Schmiede konnten wir weder Kohle noch Werkzeuge herstellen. Ich kontrollierte meine geldlichen Mittel und beschloss mir Hilfe zu suchen, um aus Festum fehlende Güter herbeizuschaffen.

Am Nachmittag fanden wir uns alle „Im goldenen Ei“ wieder und nach einem kleinen weiteren Austausch, hatten wir folgende Pläne: Das Lagerhaus sollte fertiggestellt werden. Dann hatten die Felder oberste Priorität. Und da sollte nicht jede Familie sein eigenes Feld bestellen, sondern gemeinschaftlich eines nach dem anderen pflügen und neu besähen. Des Weiteren mussten die Palisaden repariert und Tore zu unserem Schutz für errichtet werden. Die Viehbauern sollten schlachten und das Fleisch haltbar gemacht werden. Solange das Lagerhaus noch im Bau war, hielten wir den Traviatempel für die beste Lagerstätte.

Unserem Gespräch wurde natürlich gelauscht. So erklärte sich der Wirt bereit wieder eine Suppenküche zu eröffnen. Mit Hilfe seiner Frau, Isha saba Nedime, waren sie bereit täglich Eintöpfe, Suppen und andere Mahlzeiten kostenlos zuzubereiten. Die Holzfäller waren ebenfalls anwesend und erzählten uns, dass frisch geschlagenes Holz nicht vom Staub in Mitleidenschaft gezogen worden war. Gero Harnischmacher, Vorarbeiter der Holzfäller, schlug vor, dass er sich mit Irmgard Schwarzenklamm aus der Schmiede und Pagol Helmisch, dem Vorarbeiter der Fuhrleute besprechen wollte um möglichst schnell, viel Holz herbeizubringen. In Schichten wurden für die Menge an Holz etwa 10 Tage benötigt und für die Reparatur der Palisaden und Errichtung der Tore nochmals weitere 7 Tage. Ich rechnete und stellte fest, dass wenn sich etwas verzögerte die Fertigstellung eben dieser Maßnahmen erst nach den namenlosen Tagen sein würden.

Ich verkündete meinen Freunden, dass ich meine geldlichen Mittel in Gegenstände, die wir hier dringend benötigten, investieren wollte.Öl und Lampen, Kleidung für den Winter und Werkzeuge.
Als dies sollte in Festum eingekauft werden. Ich wollte das gerne persönlich übernehmen, da ich damit eine für mich sinnvolle Aufgabe gefunden hatte. Ich hatte das Bedürfnis ein wenig Abstand von Travingen zu bekommen, weil mir nicht nur die Wärme zusetzte, sondern auch jeder Winkel an Lorion erinnerte. Jedoch kam es so, dass sich die Wirtin Isha und die Schneiderin Frinja Gerberow bereit erklärten diese Aufgabe zu übernehmen. Es war sinnvoller meine Fähigkeiten hier im Dorf einzusetzen und das goldene Ei zu beschützen… Ich willigte ein und trank meinen Wein aus. Da mich die Trauer erneut zu übermannen drohte, zog ich mich, bis zur Ansprache am Abend, in meinen Turm zurück.

Unsere Ansprache an die Gemeinschaft am Abend, wurde durch den Unmut der Bürger nicht gut aufgenommen. Sie waren zornig und hatten Angst. Auch waren sie kaum empfänglich für unsere Vorschläge und Vorhaben. Durch die beherzte Ansprache von Terion und Rodrik gelang es uns aber doch einige Zuhörer zu gewinnen und sie später am Abend „Im goldenen Ei“ zu versammeln und zu überzeugen.

Ich schlief schlecht nach diesem langen Tag. Angst um die Zukunft bahnte sich in mir an. Meine Hilflosigkeit machte mir mein Handeln schwer. Auch fühlte ich mich hin und wieder unvollkommen und wertlos. Aber ich hatte eine kleine Hoffnung. Wenn wir es wirklich schaffen würden einen Großteil der Gemeinschaft von uns und unserem Handeln zu überzeugen… Könnten wir damit das Ei im Tempel und somit den Zusammenhalt der Gemeinde wieder stärken? Mit diesem kleinen Hoffnungsschimmer fiel ich in einen traumlosen Schlaf.

11. Rahja 1015 nach Bosparans Fall

Heute begannen die Arbeiten auf den Feldern. Terion, Rodrik und einige Bauern, bei denen unsere Ansprache Gehör fand, hatten sich einen Pflug gebaut, um die Felder besser umgraben zu können. Dies war auch notwendig, da der Staub sehr tief in den Boden gedrungen war. Das Umgraben und neubepflanzen dauerte pro Feld einen ganzen Tag. Die Hitze und äußeren Umstände ließen nicht mehr zu. Da ich dort keine große Hilfe leisten konnte, beriet ich mich mit Hesindiane über die Bienen. Diese waren nachdem der Staub kam in eine Art Winterschlaf verfallen. Ich wollte versuchen herauszufinden, was passiert war und nach einer Möglichkeit suchen sie wieder aufzuwecken. Und so fand ich meine Aufgabe für die nächsten langen Tage. So vergingen die Tage mit viel Arbeit, Pflege und Forschungen.

In der Nacht vom 13. auf den 14. Rahja 1015 nach Bosparans Fall

Falk Alrikshuber rief aufgeregt über dem Marktplatz. Wir hörten es und eilten sofort zu ihm.Über dem Platz flog ein riesiger Schwarm Fledermäuse. Wir beobachteten die Lage… Allerdings löste er sich nach ein paar Augenblicken wieder auf und die Tiere flogen in alle Richtungen davon. Dieses blieb das einzige Ereignis dieser Art in Travingen. Als ich diesen Schwarm sah, musste ich an einen Vampir denken. Leider wusste ich nicht so recht den Grund, aber mich beschlich so ein ungutes Gefühl, als ob von diesen Tieren eine Gefahr ausging oder sie Vorboten für etwas Schreckliches sein würden.

15. Rahja 1015 nach Bosparans Fall

Am Morgen dieses Tags kamen Abgesandte der Elfen aus den Salamandersteinen. Sie brachten uns Heiltränke, Wirselkraut und Elfenbrot, die uns in dieser schwierigen Zeit helfen sollten. Sie erzählten, dass sie die Öffnung des Tores gespürt hatten. Das erinnerte mich an die letzten Worte Lorions. Es wäre der „letzte Sommer“ und „Das Tor für den Öffner der Tore wurde geöffnet“… Unsere elfischen Nachbarn wollten sich weiter in die Salamandersteine zurückziehen. Auch sie sagten zum Abschied, dass es der letzte Sommer sein würde. Es war Eile geboten, denn auch Tûel sagte vor seiner hastigen Abreise, dass der Winter lang und schwer werden würde.

Die Tage vergingen. Ich hatte keine neuen Erkenntnisse zu den Bienen gewonnen und kümmerte mich weiterhin um Mutter Herdgard. Aber ich war auch viel alleine. Alleine mit meiner Trauer, Angst und Unruhe. In meinen Pausen setzte ich mich auf meinen Turm und schaute gedankenverloren in Richtung der roten Sichel, wo ich Lorion zurücklassen musste. Ich nutzte meine Zeit um Lorions Gegenstände und Sachen weg- und den Turm aufzuräumen. Außerdem studierte ich meine vorhandenen Bücher, ob ich nicht irgendetwas Hilfreiches über diesen seltsamen Staub in Erfahrung bringen konnte. Ich hatte keinen Erfolg.

In der Zwischenzeit kamen die Jäger und Sammler wieder nach Hause. Sie hatten nur wenig gefunden. Das bisschen, was sie erbeuten konnten, gaben sie an die Küche weiter. Der Staub war ellenbogentief in den Boden gedrungen, Beeren davon durchzogen. Die Wälder waren leer. Es gab dort nichts mehr zu holen.

25. Rahja 1015 nach Bosparans Fall

Heute kamen die Holzfäller und Fuhrleute zurück nach Travingen. Sie hatten 40 stattliche Baumstämme im Gepäck und machten sich umgehend an die Arbeit. Im Dorf merkte man deutlich, dass die namenlosen Tage näherkamen. Die Arbeit auf den Feldern ging nur noch schwer voran, die Stimmung wurde noch schlechter und bedrückender. Die Temperaturen taten ihr übriges. Und so kamen die namenlosen Tage. Tage, die man möglichst nicht im freien verbrachte. Aber wie ich schon befürchtet hatte, gab es genau in diesen Tagen einige Geschehnisse, die erzählt werden wollen…

Am ersten Abend der namenlosen Tage klopfte Eichmann Barmhusen hastig an Rodriks Tür um diesen aufzufordern, dass er mitkommen solle. Sein Knecht war spurlos verschwunden. Terion und ich wurden von Rodrik ebenfalls informiert. In der Dachkammer des Hauses der Familie Barmhusen fanden wir Blutspuren auf dem Boden. Auf dem Bett lagen die Kleider des Knechts, seine Stiefel standen direkt daneben. Sein Dolch war ebenfalls vorhanden. Eichmann beschuldigte natürlich die neuzugezogenen Dragenfelder, da diese einigen Bewohnern ohnehin ein Dorn im Auge waren. Terion fand derweil noch Kratzspuren am Fensterrahmen. Sie stammten nicht von einem Menschen. Die Familie Barmhusen geleiteten wir zum weiteren Schutz in den Tempel.

Am Tempel angelangt trafen wir die aufgeregte Thara Eisenbach, diese erklärte eilig, dass auch Heron Greyfenstein verschwunden war. Er wollte seine Unterlagen in seiner Kammer studieren. Sie hörte ihn schreien, dann war er spurlos verschwunden. Wir untersuchten seine Stube und fanden dort ebenfalls diese Kratzspuren. Diese Spuren waren auch von außen am Fensterrahmen zu sehen. Scheinbar wurde das Fenster ebenfalls von außen geöffnet.

Mein Weg führte mich noch in dieser Nacht erneut zum Traviatempel, um nach Mutter Herdgard zu sehen. Später – auf dem Weg zu meinem Turm – bemerkte ich, dass die Gänse neben dem Tempel plötzlich unruhig und hektisch wurden. Ein paar Schritte weiter in die Gasse hinein, sah ich den wie aus dem nichts aufgetauchten Grimmbären. Aufgerichtet und riesengroß biss er gerade den halben Kopf von Roban Finn ab. In meiner Panik stolperte ich unbeholfen rückwärts. Der Bär sah mich und setzte mir nach. Als er aus der Gasse kam sah ich, dass er wirklich alt und sehr hungrig sein musste. Sein Fell war löchrig und er wirkte abgemagert. Um mir einen Vorsprung zu verschaffen, blendete ich ihn mit einem Zauberspruch. Dadurch wurde er noch wilder, nahm die Witterung auf und rannte in meine Richtung. Mein Rufen um Hilfe wurde von Terion gehört und er eilte zu mir. Auf unserer Flucht vor dem Bären durch die Straßen Travingens, wurden durch ihn Gebäude und leider auch der Rohbau des neuen Lagerhauses sehr stark beschädigt. Terion versuchte den Bären mit seinen Pfeilen aufzuhalten. Während seiner Jagd auf uns fiel der Bär in die ausgehobene Grube des Lagerhauses, was ihn kurzzeitig stoppte. In der Zeit gelang es mir Rodrik zu wecken. Wieder aus der Grube geklettert, ging der Kampf in dem Dorf weiter. Rodrik gelang es den Bären kurzzeitig zu stoppen, da er sich ihm mit Schwert und Schild im Nahkampf stellte. Nach einem erfolgreichen Hieb, blieb er mit seiner Klinge jedoch im Bären stecken, so dass der Bär ihm nun stark zusetzen konnte und Rodrik schwer verletzt wurde. All dies hielt den Bären jedoch so lange auf, dass Terion einen tödlichen Kopfschuss abgeben konnte. Rodrik wurde halb unter dem fallenden Bären begraben. Wir mussten Rodrik unter dem Gewicht des Bären befreien. Anschließend heilte ich die gröbsten Verletzungen Rodriks mit einem Balsam Salabunde. Der Bär wurde anschließend geschlachtet, denn auch wenn er abgemagert war, waren wir in keiner Position das Fleisch zu verschwenden.

Die weiteren namenlosen Tage vergingen ohne erneute Vorkommnisse. Nach diesen Tagen konnten wir eine kleine freudige Nachricht verbreiten. Die Bienen hatten wieder ihre Arbeit aufgenommen. Sie waren so schnell wiedererwacht, wie sie eingeschlafen waren. Die Leute nahmen ihre Arbeit wieder auf.

Vom 6. auf den 7. Praios 1016 nach Bosparans Fall

Des Nachts hörte Rodrik es hinter seinem Haus „muhen“. Vor dem mittlerweile errichteten Tor standen eine Handvoll Dapartrinder. Schlaftrunken und schwer irritiert weckte Rodrik Terion, damit dieser ihm helfen konnte, die Rinder heim zu bringen, sie gehörten zur Herde des Bauers Siebenacker. Während Rodrik die ausgebüxten Rinder am Tor bewachte, eilte Terion zum Bauern um diesen über den Zwischenfall zu informieren. Dort fand er Nostriane Siebenacker, die ihm schreiend entgegen taumelte. Auf dem Boden lag ein totes Rind. Es wies zwei kleine Löcher am Hals auf, direkt an der Hauptschlagader. Terion äußerte die Vermutung, dass das wie ein Vampirbiss aussehen würde.

Alles was man im Allgemeinen über Vampire wusste war, dass sie von Praios verflucht waren und dadurch nur nachts wandeln konnten. Allerdings gab es auch bekannte Fälle, die nicht verflucht waren. Die meisten von Ihnen lebten weit im Norden. Auch waren sie nicht an dem Blut, sondern an dem darin befindlichen Sikaryan interessiert. Als Terion und Rodrik mir davon berichteten, wunderte ich mich darüber, dass ein Tier angegriffen wurde und kein Mensch. Aber vielleicht sind wegen des Vampirs der Knecht und Heron Greyfenstein verschwunden? Wir hatten aber leider keine Beweise dafür. Auch erinnerte ich mich an den Schwarm Fledermäuse. Möglicherweise waren sie wegen der Ankunft des Vampirs im Dorf. So verging der Praiosmond geschäftig und fleißig. Im Monat Rondra wurde es noch wärmer. Es war hier in Travingen heißer, als all die Jahre zuvor.

11. Rondra 1016 nach Bosparans Fall

Am 11. Rondra wurden wir auf eine Gruppe Menschen aufmerksam gemacht, die die Travel hinaufwateten. Sie waren in Lumpen gekleidet und geißelten sich. Es waren Flagellanten, die ein großes und schweres Standbild des Praios aus Holz mit sich trugen. Die Männer wiesen zahlreiche entzündete Verletzungen und sogar verlorene Zehen auf. Die Füße waren blutig und schwer geschädigt. Sie berichteten, dass sie aus Weiden kamen und das Ende nah sei. Weiden wurde von Vampiren heimgesucht. Diese kamen nach den namenlosen Tagen. Dort war alles verloren. Nun glaubte ich nicht mehr daran, dass Isha saba Nedime und Frinja Gerberow jemals wieder unbeschadet nach Hause kommen würden … Wenn Vampire in Weiden wüteten, was ging wohl im Osten vor sich? Ich hatte die beiden in den Tod geschickt. Eine Bürde mehr, die ich nun mit mir tragen musste.

Aus Verzweiflung verabreichte ich Mutter Herdgard einen der elfischen Heiltränke, in der Hoffnung, dass sie genesen würde. Doch es schien ihr kaum Linderung zu verschaffen. Wir stellten fest, dass die Kraft des Ei‘s weiter schwand. Es entstand Angst und Missgunst. Mich überkam das Gefühl, dass das Dorf und die Gemeinschaft, die Mutter Herdgard bisher so tapfer angeführt hatte, langsam zerbrach. Die bisherige Ernte, die wir eingebracht hatten war nicht sehr ergiebig. Wenn Tûel recht behielt und uns ein sehr harter Winter erwartete, sah unsere Lage diesen zu überstehen, schlecht aus. Es gab kaum Nahrung, wir hatten bisher nur einen Bruchteil der nötigen Vorräte angehäuft und es schien als gab es ringsherum Bedrohungen, die wir nicht mal erahnen konnten. Ich hoffte nun auf den Zusammenhalt unseres kleinen Dörfchens und darauf, dass Travia uns weiter wohlgesonnen blieb.

Auszug aus den persönlichen Aufzeichnungen der Talaen von Neersand
Travingen im Rondra 1015 nach Bosparans Fall